Um zu klären, was genau sich hinter EDIFACT verbirgt, ist es zunächst sinnvoll, den Begriff EDI näher zu erläutern.
Das Problem
Das Begleichen einer Rechnung stellt in der Regel den letzten Teil eines Prozesses aus Anfrage, Angebot, Auftrag, Lieferung, Bezahlung (u.a.) dar. In jedem Teil dieses Prozesses werden Daten zum Vorgang in elektronischen Systemen (Buchhaltung, Bestellwesen, Kalkulation, Mahnwesen etc.) erfaßt. Viele Daten, die in jedem Teil erfaßt werden, bleiben jedoch inhaltlich vom Anfang bis zum Ende gleich, werden also mehrfach erfaßt. Daß diese „Medienbrüche“ unwirtschaftlich und fehlerbehaftet sind, versteht sich von selbst 😉
Optimal wäre also, Daten, die in späteren Prozeßteilen wieder benötigt werden, aus vorherigen Abschnitten zu übernehmen. Als problematisch bei der Realisierung eines solchen Optimums stellen sich immer wieder unterschiedliche Standards oder Datenformate in den verwendeten Programmen oder einfach in verschiedenen Ländern dar. Hier versucht nun EDI eine Vereinheitlichung.
Die Lösung (1)
EDI steht für „Electronic Data Interchange“ und soll als Oberbegriff alle Konzepte, die o.g. Anforderungen (also einmalige Erfassung, Übertragung und Weiterverarbeitung ohne manuelle Eingriffe) erfüllen, beinhalten. Bisherige branchenspezifische EDI- Lösungen könnten einigen von Ihnen bereits bekannt sein, wie z.B. der S.W.I.F.T.- Standard unter Banken oder der ODETTE- Standard der Automobilbranche. Hier wurden zwischen den beteiligten Partnern bestimmte Vereinbarungen getroffen, wie z.B. die zu übermittelnden Daten aufgebaut sein sollen und welche Bedeutung einzelne Segmente des Datenpaketes haben. Durch die Abwicklung von Geschäftsvorfällen auf Basis vorgenannter EDI- Systeme läßt sich also schon ein beachtliches Maß an Zeit und Geld einsparen. Doch EDI ist nicht der Weisheit letzter Schluß 😉 , denn die Probleme fangen dort wieder an, wo ein Geschäftsvorgang von einem EDI- System zum nächsten übergeht (Beispiel: Autos wurden mittels ODETTE beim inländischen Hersteller bestellt und an den ausländischen Importeur ausgeliefert. Der Zahlungsauftrag des Importeurs kann aber aus dem ODETTE- System nicht direkt ausgelöst werden, also muß ein Auftrag an die Bank des Importeurs erteilt werden, die Zahlung anzuweisen. Die Bank wiederum erfaßt den Auftrag in Ihrem System und überweist der Bank des Herstellers mittels S.W.I.F.T. das Geld. Die Ausbuchung des offenen Postens aus ODETTE muß dann beim Hersteller erneut manuell vorgenommen werden, da S.W.I.F.T. und ODETTE nicht miteinander kompatibel sind. Auch hier sind die „Medienbrüche“ also noch anzutreffen (wenn auch in geringerem Ausmaß).
Die Lösung (2)
In gemeinsamer Arbeit zwischen Europäischer Kommission für Wirtschaft (ECE), den Vereinten Nationen und Vertretern einzelner branchenspezifischer EDI- Lösungen wurde ein Standard geschaffen, der sämtliche anfallenden Geschäftsvorfälle vom Anfang (der Anfrage auf Abgabe eines Angebotes) bis zum Ende (dem Erhalt der „Bezahlt- Meldung“) branchen- und länderübergreifend nach den EDI- Vorgaben abwickeln soll.
Dieser Standard heißt EDIFACT und steht für „Electronic Data Interchange for Administration, Commerce and Transport). In einer EDIFACT- Software- Lösung wird jeder Vorgang mit einer so genannten EDIFACT- Nachricht beschrieben. Die EDIFACT- Nachricht „PAYORD“ beschreibt z.B. einen Zahlungsauftrag, die Nachricht „FINCAN“ löst einen Stornierungsauftrag aus. Da hier nur das grundlegende EDIFACT- Verfahren beschrieben werden soll, verzichtet der Autor mit Blick auf die notwendige Arbeit auf eine Aufstellung sämtlicher EDIFACT- Nachrichten und deren Bedeutung an dieser Stelle (ein mögliches Feature der 2.0- Version…)
Eine kleine Grafik soll schematisch darstellen, wie ein typischer Prozeß mit Hilfe von EDIFACT abgewickelt werden kann (wir bleiben der Einfachheit halber beim Beispiel des Autoherstellers):
Erläuterung:
1. der Importeur sendet dem inländischen Hersteller eine Anfrage bezgl. einer möglichen Bestellung von 5.000 Pkw mittels email
2. der Hersteller antwortet auf die Nachricht mit der (elektronischen) Abgabe eines Angebotes
3. der Importeur versendet eine Bestellung
4. der Hersteller bestätigt diese
5. während der Laufzeit informiert der Hersteller den Importeur laufend mit Informationen über den Status der Auftragsbearbeitung
6. die Autos werden verschifft (nicht per EDIFACT…) und der Importeur erhält die EDIFACT- Nachricht über die erfolgte Auslieferung
7. der Hersteller versendet die (elektronische) Rechnung
8. der Importeur leitet die notwendigen Daten an seine Bank weiter mit dem Auftrag zur Zahlung
9. die Bank des Importeurs erteilt dem Importeur die Information über die Belastung seines Kontos (und avisiert ggf. dem Hersteller [je nach Auftrag] die Auslösung der Zahlung)
10. zwischen Bank des Importeurs und Bank des Herstellers erfolgt eine Verrechnung über den betreffenden Betrag
11. die Bank des Herstellers stellt die Kontoinformation für ihn im MT940 – Format bereit
Die elektronischen Dokumente können also mit Hilfe des EDIFACT- Standards ohne Ausdrucke oder Mehrfacherfassungen in der EDV der verschiedenen Empfänger weiterverarbeitet und ggf. in Folgenachrichten übernommen werden.
Derzeit wird EDIFACT- fähige Software vornehmlich noch in größeren Unternehmen eingesetzt, aufgrund europäischer Harmonisierung der Wirtschaft und zunehmender Globalisierung wird es jedoch nur eine Frage der Zeit sein, bis sich EDIFACT- Lösungen auch in kleineren mittelständischen Betrieben durchgesetzt haben.