Interchange – Wer verdient was bei der Kartenzahlung
In der Diskussion um Entgelte und Preise bei Kartenzahlungen hört man häufig Argumente wie „Wieso kostet die Karte eine Jahresgebühr, die Bank nimmt doch schon vom Händler 3 Prozent und verdient daran“.
In der Regel geht diese Argumentation darauf zurück, daß denen, die sie nutzen, nicht klar ist, daß es sich bei den großen Zahlungssystemen wie Visa und MasterCard um sogenannte Vier-Parteien-Systeme handelt, bei denen die Beteiligten jeweils untereinander verschiedene Vertragsbeziehungen haben, aus denen sich auch verschiedenene Geldflüsse ergeben. Eine deutsche Bank, die eine Kreditkarte ausgibt, verdient eben nicht (hier mal angenommene) 3% des Umsatzes bei einem Händler z.B. in Asien, bei dem die Karte eingesetzt wird, weil sie natürlich nicht mit allen Händlern weltweit eigene Vertragsbeziehungen hat.
Zunächst einige Begriffsdefinitionen
Im Text werden folgende Begriffe verwendet, die hier einmal erklärt werden sollen
- Kartenherausgeber (auch: Issuer, kartenausgebende Bank)
Bank oder andere Finanzinstitution, die eine Zahlungskarte zur Durchführung von Zahlungsvorgängen an den Karteninhaber herausgibt.
Hat eine vertragliche Beziehung zum Karteninhaber sowie zur Kartenorganisation. - Karteninhaber
Person, die eine Zahlungskarte vom Kartenherausgeber erhalten hat und damit Kauftransaktionen durchführt - Händlerbank (auch: Acquirer)
Hat mit einem Händler einen Vertrag über die Kartenakzeptanz zu Zahlungszwecken geschlossen, hat eine vertragliche Beziehung zur Kartenorganisation. - Händler (auch: Merchant)
Hat einen Vertrag mit der Händlerbank zur Akzeptanz von Zahlungskarten für Zahlungsvorgänge, die der Karteninhaber beim Bezahlen mit seiner Karte durchführt. - Kartenorganisation
Hat weder mit Karteninhaber, noch mit Händler einen Vertrag.
Vergibt Lizenzen für das Issuing- und Acquiringgeschäft an Banken und sorgt durch Regularien, technische Formate und Netzwerke etc. für einheitliche Abwicklung, Verrechnung und Kommunikation zwischen den teilnehmenden Banken.
KartenausgebendeBank | Indirekte Vertragsbeziehung über Regularien der Kartenorganisation |
Händlerbank |
Vertrag über Kreditkarten- nutzung |
Händler-Service- Vertrag |
|
Karteninhaber |
<- Bezahlung Ware/ Dienstleistung -> |
Händler |
Da man nur Preise von seinem Vertragspartner verlangen kann, wenn dies auch vereinbart ist, folgt aus obigem Diagramm, daß zB die kartenausgebende Bank keine Vertragsbeziehung mit und keinen Anspruch auf Entgelte gegen den Händler hat, da dieser lediglich einen Vertrag (und damit eine Preisvereinbarung) mit seiner Händlerbank hat.
Der Karteninhaber zahlt an die kartenausgebende Bank beispielsweise eine Jahresgebühr für die Karte, außerdem Entgelte wie Auslandseinsatzentgelt, Barabhebungsentgelte oder ggf. Sollzinsen.
Der Händler zahlt an die Händlerbank ein Disagio (oder Merchant Service Fee/Merchant Service Charge), meist in Form eines Prozentsatzes vom getätigten Umsatz.
Allerdings hätte die kartenausgebende Bank kein Geschäftsmodell, wenn sie Karten ausgeben würde, die nirgends einsetzbar sind oder wenn sie (beispielsweise ohne Jahresgebühr) Karten ausgibt, ohne auch von deren Nutzung zu profitieren. Andererseits ist es für Händlerbank und Händler kaum attraktiv, die Kartenakzeptenz zu unterstützen, wenn aus keine Bank die Investition tätigt und Karten ausgibt. Zwischen diesen beiden Beteiligten gibt es daher als Ausgleich dafür, daß der Kartenherausgeber überhaupt Karten ausgibt, um das System zu ermöglichen, eine Verrechnung in Form des sogenannten Interchanges.
Was ist das Interchange
Das Interchange (abgekürzt auch MIF, multilateral interchange fee) soll Teile der Erlöse der Händlerbank an die kartenausgebende Bank weitergeben, um diese zur weiteren Ausgabe von Karten, und damit der Bereitstellung einer Komponente des Gesamtsystems, zu motivieren. Außerdem soll der Issuer dadurch seine laufenden Kosten für Transaktionsabwicklung, Kundenbetreuung, Abrechnung, Mißbrauchsverhinderung, Vorfinanzierung bis zur Belastung des Karteninhabers oder Abschreibungen wegen Zahlungsausfällen kompensiert bekommen.
Die Händlerbank gibt darum über das Interchange einen, in der Regel prozentualen, Anteil ihres Erlöses aus der Transaktion an die kartenausgebende Bank weiter. Die Höhe des Interchanges kann zwischen den beteiligten Banken vereinbart werden. Wo dies, aufgrund der vielen Händlerbanken und Kartenherausgeber weiltweit, nicht bilateral passiert, geben die Kartenorganisationen Standardinterchanges vor. Deren Höhe kann sich nach Art der eingesetzten Karte, Branche, Art der Abwicklung oder geographischer Region unterscheiden.
Beispiel für eine Kauftransaktion (fiktive Werte):
- Karteninhaber kauft am 2. des Monats für 100 EUR beim Händler mittels Karte ein.
- Der Händler reicht am gleichen Abend die Transaktion zur Bezahlung ein und erhält von seiner Händlerbank am Ende der Woche 97 EUR gutgeschrieben (100 EUR Umsatz abzgl. angenommene 3% Disagio).
- Die Händlerbank reicht der kartenausgebenden Bank im Clearing ihre Forderung über 100 EUR zur Begleichung ein. Gleichzeitig schreibt sie der kartenausgebenden Bank 1 EUR (1% der Transaktion) als Interchange gut. Per Saldo erhält sie damit 99 EUR.
Von der Differenz zwischen den erhaltenen 99 EUR und den weitergereichten 97 EUR deckt die Händlerbank ihre Kosten zzgl. ihrer eigenen Gewinnmarge. - Die kartenausgebende Bank bucht die verauslagte 100 EUR Forderung gegen den Karteninhaber am Clearingtag auf dessen Kartenkonto ein und finanziert diese bis zum Abrechnungstag intern vor. Die erhaltenen 1 EUR Interchange decken die entstehenden Kosten sowie z.T. die Gewinnmarge der kartenausgebenden Bank.
- Der Karteninhaber wird am Abrechnungstag mit den 100 EUR für seine Transaktion belastet.
Kritik am Interchange
Für den Händler ist das Interchange ein Teil der ihm von der Händlerbank im Rahmen des Disagios berechneten Kosten. Die Handelsverbände führen deshalb seit Jahren Lobbyarbeit gegen die Interchange, da nach ihrer Argumentation die Kosten der Kartenakzeptanz für den Handel durch den Wegfall der Interchange sinken könnten und somit auch die Preise für den Endverbraucher sinken würden.
Als Gegenargument kann hier ins Feld geführt werden, daß der Handel einen wegfallenden Kostenanteil bei den Kartenzahlungen wohl eher für eine Vergrößerung seiner Gewinnmarge nutzen würde, statt sie als generelle Preissenkung an die Verbraucher (auch diejenigen, die keine Kartenzahlungen durchführen) weiterzugeben.
Eine alternative Möglichkeit der Kostenverrechnung wäre es, dem Kunden abhängig vom gewählten Bezahlmittel durch den Händler einen Zuschlag oder Abschlag bei der Bezahlung zu berechnen. So könnte beispielsweise eine Kartenzahlung 50 Cent Aufpreis kosten, eine Barzahlung 25 Cent und eine Scheckzahlung 1 EUR, wie es in einigen Ländern praktiziert wird. Während bei Visa und im electronic cash System dieses sogenannte Surcharging (Surcharge= engl. für Aufschlag) in Deutschland verboten ist, hat MasterCard dieses vor einigen Jahren erlaubt. Bisher nutzen allerdings im wesentlichen nur Billigairlines das Surcharging (das theoretisch nur in Höhe der dem Händler entstehenden Kosten liegen darf) zur Profitverbesserung aus.
In Märkten, in denen das Interchange komplett untersagt wurde (z.B. Australien) stiegen dafür die Transaktions- bzw. Kartenpreise für die Karteninhaber sowie für Zusatzleistungen.
Aktuelle Entwicklungen
Im Dezember 2007 gab die EU Kommission eine Entscheidung bekannt, nachdem die Interchanges für grenzüberschreitende Transaktionen innerhalb der EWR von MasterCard nicht mit dem EU Vertrag vereinbar seien. MasterCard hatte daraufhin ein halbes Jahr Zeit, seine Reglungen zu ändern. In erster Instanz unterlag 2012 MasterCard in der gerichtlichen Klärung. Die Beschwerde gegen das Urteil wurde im Septmenber 2014 abgelehnt.
Visa Europe hatte im Rahmen einer Vereinbarung mit der Kommission aus 2002 zunächst eine Freistellung für seine innereuropäischen Interchangesätze erhalten, die Ende 2007 auslief.
MasterCard weist auf einer eigenen Seite nicht nur die Interchangesätze aus, sondern zeigt auch die negativen Beispiele aus Ländern, in denen die MIF bereits reguliert wurden.
Die EU Kommission arbeitet aber weiter an einer Regulierung der MIF (Multilateralen Interchange Fees). Im Dezember 2014 haben sich der Parlamentsausschuß und der Rat auf Eckpunkte geeinigt, die noch im Plenum beschlossen werden müssen.