Seit einiger Zeit geistert die Vision durch die Lande, Deutschland wolle das Bargeld abschaffen. So visionär ist der Gedanke gar nicht. In Skandinavien wächst die Zahl der Einzelhändler, die kein Bargeld mehr akzeptieren, kontinuierlich.
Pro & Contra
- Es gibt keine Veranlassung, das Bargeld in Deutschland abgeschafft wird.
- Deutschland hinkt beim bargeldlosen Bezahlen in Europa weit hinterher.
- Die verordnete Abschaffung von Bargeld käme einer Beschneidung der individuellen Freiheit gleich.
- Schweden sieht sich durch den Rückgang des dortigen Bargeldumlaufs auch vor Problemen.
Schweden
Schweden sieht sich gerne als Vorreiter einer bargeldlosen Gesellschaft. Dort bezahlen zunehmend mehr Menschen mit Kreditkarte, Mobiltelefon oder Internet. Das bringt allerdings auch Probleme mit sich, glaubt man der schwedischen Nationalbank. Einige Banken verfügen schon über keine Kassen mehr. Der Bargeldbestand nahm gegenüber dem Jahr 2007 im Jahr 2017 um 40 Prozent ab. Kritisch wird es nun für die Menschen, gerade Ältere, die mit den neuen Technologien nicht wirklich viel anfangen können und denen das Bezahlen per Handy fremd ist. Die Zahl der schwedischen Verbraucher, die noch einmal oder öfter pro Woche Bargeld in die Hand nehmen, liegt gerade noch bei 25Prozent.In zahlreichen Schwellenländern geht der Bargeldbestand zugunsten digitaler Bezahlsysteme oder Geldersatz wie Telefoneinheiten zurück. Während für Indien die Abschaffung von Bargeld für das Jahr 2022 prognostiziert wurde (Boston Consulting Group, Global Payments 2017), ist dieses Szenario für Deutschland einfach nicht vorstellbar. Zu groß ist hierzulande der psychologische Aspekt bei Bargeld. Der Gebrauchtwagenkauf von privat an privat wird nach wie vor mittels Barzahlung abgewickelt, nicht seelenlos durch PayPal via Handy.
Wie sieht es in Deutschland mit Bargeld aus?
Die deutschen Verbraucher sind deutlich konservativer als die Schweden. Zwar ist die Zahl der Barzahlungen von 79 Prozent im Jahr 2014 auf 74 Prozent im Jahr 2017 gesunken, aber dass drei Viertel aller Umsätze noch in bar stattfinden, zeigt, dass Deutschland noch weit von einer bargeldlosen Zeit entfernt ist.
Während in einigen Ländern inzwischen Schilder in den Fenstern des Einzelhandels mit der Aufschrift „no cash“ hängen, finden sich in Berlin immer wieder Cafés und Bars mit dem Schild „cash only“. Dabei war es die Berliner Gastro-Szene, in der als erstes Bitcoins zum Bezahlen akzeptiert wurden. Ein weiteres Hindernis auf dem Weg zur Abschaffung von Bargeld in Deutschland ist der Einzelhandel selbst. Ist es im europäischen Ausland schon lange üblich, auch den Coffee to go oder das Bier im Pub mit Kreditkarte zu bezahlen, würde mancher deutsche Café-Betreiber in Ohnmacht fallen, müsste er die Bezahlung von drei Euro mit Karte akzeptieren.
Wie weit Deutschland davon entfernt ist, bargeldlos zu werden, zeigt ein anderer Vergleich mit Schweden. In Schweden stehen einem Geldautomaten für Barabhebungen 91 Kassenterminals für bargeldloses Bezahlen gegenüber – in Deutschland sind es 13.
Im europäischen Mittel trägt ein Europäer 65 Euro in bar mit sich herum. Die Deutschen liegen mit 103 Euro deutlich an der Spitze. Die Zahl der bar bezahlten Restaurantbesuche liegt in Deutschland doppelt so hoch wie im europäischen Durchschnitt.
Die Tatsache, dass die 500-Euronote abgeschafft wird, hängt nicht mit dem Einläuten der bargeldfreien Zeit zusammen, sondern damit, dass sie von vielen Einzelhändlern nicht akzeptiert wird.
Der Bezahldienst Paydirekt der deutschen Banken als Alternative zu PayPal ist kläglich gescheitert. Ob Apple es schafft, mit seinem eigenen Dienst Deutschland aufzurütteln, bleibt mehr als fraglich.
Die Stimmen zum Für und Wider von Bargeld gehen weit auseinander.
Nachteile
Geld dient nicht nur dem Bezahlen von Gütern und Dienstleistungen, es steht auch für die Aufbewahrung von Werten. Ein staatlich verordneter Verzicht auf Bargeld bedeutet auch eine Bevormundung der Bürger bei der freien Wahl seiner Wertanlage. Auch wenn in Italien die Abwicklung von Transaktionen über 1.000 Euro nicht mehr mit Bargeld zulässig ist, können die Verbraucher auf dem Apennin bis zu dieser Größenordnung entscheiden, ob sie bar oder mit Handy bezahlen. Hintergrund für die Einschränkung ist der Kampf gegen Korruption und Geldwäsche.
Dem Risiko, auf der Straße überfallen und ausgeraubt zu werden, steht das Risiko der Anfälligkeit digitaler Systeme gegenüber Cyberkriminellen gegenüber. In Deutschland ist diese Befürchtung besonders ausgeprägt, betrachtet man die weitflächige Aversion gegenüber digitalen Bezahlsystemen.
Vorteile
Der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Deutsche Bank AG, John Cryan, ist ein vehementer Verfechter, Bargeld abzuschaffen. In seinen Augen sei die Kassenhaltung, gleich ob für Banken oder den Einzelhandel, einfach zu teuer. Dass Bargeld Geld kostet, beweisen die Banken damit, dass einige Institute sogar Gebühren erheben, wenn ein Kunde Münzen am Schalter einzahlen möchte.
Digitales Geld hätte den Vorteil, dass die „Plünderungen“ der Bankautomaten, wie vor einigen Jahren in Griechenland geschehen, nicht möglich wäre. Die Banken hätten auf der anderen Seite mehr Kontrolle über ihre Kunden. Für den Staat wäre es einfacher, Gelder einzuziehen, wenn diese nur noch in digitaler Form auf einem Konto liegen und Barbestände nicht vor dem Zugriff geschützt werden könnten.